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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 20.07.2000
Aktenzeichen: 26 W 38/00
Rechtsgebiete: BBG, StPO, ZPO
Vorschriften:
BBG § 61 | |
BBG § 62 | |
StPO § 54 Abs. 1 | |
ZPO § 376 | |
ZPO § 3 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
4 T 43/2000 Landgericht Wiesbaden
3 C 267/99 AG Bad Schwalbach
Verkündet am 20.7.2000
In der Zwangsvollstreckungssache ...
hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bernard und die Richter am Oberlandesgericht Frank und Falk am 20. Juli 2000 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin vom 24. März 2000 gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 28. Februar 2000 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000 DM. W 38/00 2
Gründe:
Der Schuldnerin ist es durch das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Bad Schwalbach vom 7. Mai 1999 unter Androhung der Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 500.000 DM u.a. untersagt worden, gegenüber Dritten zu behaupten, die Gläubigerin gebe Annoncen auf, in denen nicht existente zu vermittelnde Personen genannt werden.
In einem Rechtsstreit der Gläubigerin gegen einen Dritten ist die Schuldnerin als Zeugin zu der Frage vernommen worden, ob die Beklagte auch anderen Personen gegenüber vertraglich eine Einarbeitung in die Tätigkeit einer Partnervermittlung zugesagt, tatsächlich aber nicht erbracht habe. In der protokollierten Zeugenaussage der Schuldnerin heißt es u.a., sie habe von der Gläubigerin erwartet, daß sie ihr die Hintergründe der Partnervermittlung darstelle. Sie sei erst im Laufe der Zeit dahintergekommen, daß die Gläubigerin mit Lockangeboten arbeite. Das sei etwas, das sie nicht gewollt habe. Es habe sich auch um Phantasietexte gehandelt, die veröffentlicht worden seien. Es sei keine Einarbeitung dergestalt erfolgt, wie sie sie erwartet habe, für eine Tätigkeit, die sie ernsthaft betreiben wolle.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht wegen dieser Äußerung gegen die Schuldnerin durch Beschluß vom 30. Dezember 1999 ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 DM ersatzweise für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit für je 100 DM einen Tag Zwangshaft verhängt. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, in der Zeugenaussage der Schuldnerin liege sinngemäß die ihr in dem Urteil untersagte Behauptung, die Gläubigerin gebe Annoncen auf, in denen nicht existente, zu vermittelnde Personen genannt werden.
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht diese Entscheidung durch den angefochtenen Beschluß abgeändert und den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes zurückgewiesen. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Auslegung des Urteils vom 7. Mai 1999 ergebe, daß die streitgegenständliche Aussage von der Tenorierung nicht erfaßt werde. Das Amtsgericht sei kein Dritter im Sinne des amtsgerichtlichen Urteils. Dem Gericht gegenüber sei die Schuldnerin zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet gewesen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin, mit der sie insbesondere geltend macht, die Äußerung der Schuldnerin in der Beweisaufnahme habe mit dem Beweisthema nichts zu tun gehabt. Selbstverständlich sei jede Person außer den Parteien als Dritter" anzusehen. Es sei nicht recht verständlich, warum Richter, Anwälte und Zuschauer hiervon ausgenommen sein sollten. Die Auslegung des Landgerichts stehe auch im Gegensatz zu derjenigen durch das Amtsgericht und beide Parteien, die ausschließlich auf die Frage des Wahrheitsgehalts der Aussage der Schuldnerin abgestellt hätten.
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den von der Entscheidung des Amtsgerichts abweichenden Beschluß des Landgerichts ist statthaft (§ 568 Abs. 2 S. 2 ZPO) und auch sonst zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden. Das Rechtsmittel hat im Ergebnis aber keinen Erfolg.
Es kann zwar entgegen der Auffassung des Landgerichts keinem Zweifel unterliegen, daß die Äußerung der Schuldnerin, die Gläubigerin arbeite mit Lockangeboten und veröffentlichten Phantasietexten von dem in dem amtsgerichtlichen Urteil ausgesprochenen Verbot erfaßt wird. Auch mit dieser Äußerung hat die Schuldnerin sinngemäß und vom Wortlaut her nur geringfügig abgeändert zum Ausdruck gebracht, in den von der Gläubigerin im Rahmen ihrer Partnervermittlung aufgegebenen Zeitungsannoncen würden nicht existierende Personen genannt.
Entgegen der Auffassung beider Parteien kommt es auch nicht darauf an, ob die Aussage der Schuldnerin als Zeugin der Wahrheit entspricht, sondern allein darauf, daß der Schuldnerin durch das Urteil eine bestimmte Äußerung untersagt worden ist.
Mit ihrem Vortrag, ihre Aussage entspreche der objektiven Wahrheit, macht die Schuldnerin im übrigen geltend, das Verbot habe nicht ergehen dürfen oder dürfe zur Zeit jedenfalls nicht aufrechterhalten werden und erhebt damit materiell-rechtliche Einwendungen, die lediglich in einem neuen Erkenntnisverfahren vorgebracht werden können, nicht aber mit einem Rechtsbehelf im Zwangsvollstreckungsverfahren (Zöller-Stöber, ZPO, 21. Auflage, § 766 Rn. 7).
Das Landgericht ist aber in der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu der Auffassung gelangt, daß die Äußerungen der Schuldnerin im Rahmen ihrer gerichtlichen Zeugenaussage nicht von dem in dem amtsgerichtlichen Urteil ausgesprochenen rechtskräftigen Verbot erfaßt werden.
Materiell-rechtliche Äußerungsbeschränkungen haben auch dann keine Geltung für Aussagen im Rahmen einer Zeugenvernehmung, wenn sie auf einem Titel beruhen. Zeugen können sich vor Gericht nicht mit Erfolg auf eine lediglich vertraglich vereinbarte Schweigepflicht berufen, weil die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage eine öffentlich-rechtliche, staatsbürgerliche Pflicht ist (BVerfG NJW 1979, 33 u. NJW 1988, 897; Zöller-Greger, a.a.O., § 383 Rn. 2) und der Grundsatz der Aussagepflicht keine Ausweitung auf in der Prozeßordnung nicht ausdrücklich genannte Fälle der Aussageverweigerung zuläßt (Zöller-Greger, a.a.O., § 383 Rn. 2).
Dies gilt auch dann, wenn hinsichtlich der materiell-rechtlichen Pflicht ein vollstrekkungsfähiger Titel vorliegt. Für den Bereich des gerichtlichen Aussageverhaltens werden materiell-rechtliche Pflichten grundsätzlich durch das Verfahrensrecht, das insoweit eine spezielle und abschließende Regelung enthält, überlagert. Für den Inhalt von Zeugenaussagen geht somit die verfahrensrechtliche Pflichtbestimmung der materiell-rechtlichen vor. Das Bestehen und auch die rechtskräftige Feststellung eines Äußerungsverbots kann deshalb einen Zeugen nicht von seiner öffentlichrechtlichen Pflicht entbinden, in einem Rechtsstreit wahrheitsgemäß, also entsprechend seinem tatsächlichen Erkenntnisstand, auszusagen. Es bedarf vielmehr einer besonderen verfahrensrechtlichen Norm, um einer bestehenden materiell-rechtlichen Verpflichtung im Rahmen einer gerichtlichen Zeugenvernehmung Geltung zu verschaffen. Dementsprechend bedarf auch die u.a. in §§ 61, 62 BBG geregelte Schweigepflicht der Beamten einer ausdrücklichen verfahrensrechtlichen Ergänzung in § 54 Abs. 1 StPO und § 376 ZPO, um dem Äußerungsverbot auch im Prozeß Geltung zu verschaffen (vgl. Löwe/Rosenberg-Dahs, StPO, 25. Auflage, § 54 Rn. 2; Zöller-Greger, a.a.O., § 376 Rn. 1). Eine vergleichbare Vorschrift, derzufolge ein zivilrechtlich begründetes Äußerungsverbot auch in einem Prozeß Geltung haben soll, gibt es nicht. Wegen des Vorranges der Aussagepflicht kann die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nicht darauf gestützt werden, die Schuldnerin habe eine ihr materiell-rechtlich untersagte Äußerung im Rahmen einer Zeugenaussage wiederholt.
Entgegen der Auffassung der Gläubigerin gehörten die umstrittenen Äußerungen der Schuldnerin auch zum Beweisthema. Die Schuldnerin hat nicht etwa die Zeugenvernehmung lediglich als Gelegenheit benutzt, die ihr untersagten Äußerungen zu wiederholen, ohne daß dies in einem inneren Zusammenhang zu dem Beweisthema gestanden hätte. Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 27. Mai 1999 sollte die Zeugin dazu gehört werden, die Beklagte habe eine vertragliche Einarbeitung in die Partnervermittlung zugesagt, die sie tatsächlich nicht erbracht habe. Ihre Aussage, die Gläubigerin arbeite aus ihrer Sicht mit Lockangeboten und veröffentliche Phantasietexte, steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit diesem Beweisthema. Die Schuldnerin hat nämlich in nachvollziehbarer Weise dargestellt, sie habe erwartet, daß die Gläubigerin ihr im Rahmen der Einarbeitung die Hintergründe der Partnervermittlung darstelle. Dieser Hintergrund bestand aber der Aussage zufolge aus einer von der Schuldnerin abgelehnten Arbeit mit Lockangeboten und Phantasietexten. Der Zusammenhang der Veröffentlichung von Phantasietexten im Rahmen der Partnervermittlung mit der Einarbeitung für die Zeugin ergibt sich auch aus ihrer Aussage, es sei keine Einarbeitung für eine Tätigkeit erfolgt, die sie ernsthaft habe betreiben wollen. Insgesamt geht die Aussage der Zeugin daher dahin, sie habe eine Einarbeitung in eine seriöse Tätigkeit erwartet und diese nicht erhalten. In der gerichtlichen Zeugenaussage der Schuldnerin liegt daher kein Verstoß gegen das Äußerungsverbot in dem amtsgerichtlichen Urteil.
Die Kosten waren der Gläubigerin aufzuerlegen, weil sie mit ihrem Rechtsmittel unterlegen ist (§ 97 ZPO).
Der Wert der Beschwer war gemäß § 3 ZPO festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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